Stabile Lehrverträge – die Rolle des Ausbildungsbetriebs (STABIL)

Universität Freiburg (CH), Departement Erziehungswissenschaften

Projektleitung: Prof. Dr. Jean-Luc Gurtner
Prof. Dr. Stephan Schumann (Universität Konstanz)

Laufzeit: 01.04.2013 - 31.01.2015

In der Schweiz werden durchschnittlich etwa ein Viertel aller Lehrverträge vorzeitig aufgelöst, wobei die Quote in manchen Berufen bei fast 50% liegt. Auch wenn nicht jede Lehrvertragsauflösung zu einem definitiven Dropout aus dem Bildungssystem führt, sind damit erhebliche individuelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Kosten verbunden. Eine Verringerung des Anteils an Lehrvertragsauflösungen ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden demographisch bedingten Fachkräftemangels und der damit verbundenen Forderung nach einer besseren Potentialnutzung ein zunehmend gesamtgesellschaftliches Anliegen. Die bisherige Diskussion konzentriert sich fast ausschliesslich auf die Auszubildenden selbst, sowie auf deren persönliche Merkmale und Gründe für den Ausbildungsabbruch. Demgegenüber nahm die Studie STABIL eine verstärkt institutionelle Perspektive ein.

Die Untersuchung wurde im Querschnittsdesign mit rund 350 Lehrbetrieben aus der deutschsprachigen Schweiz durchgeführt, welche in den Berufen "Koch/Köchin" bzw. "Maler/Malerin" ausbilden. Innerhalb der Stichprobe hatte die eine Hälfte der Betriebe im Zeitraum zwischen August 2010 und März 2012 jeweils eine Lehrvertragsauflösung zu verzeichnen, die andere Hälfte hingegen nicht. Mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens wurden neben den Berufsausbildern und Betriebsverantwortlichen der beteiligten Lehrbetriebe auch die Lernenden selbst befragt.

Mit Blick auf den Umgang mit Lehrvertragsauflösungen zeigt sich, dass nur gut ein Drittel der befragten Berufsbildner/-innen diese zuvor erwartet hat. In zwei Drittel der Fälle erfolgte die Lehrvertragsauflösung dagegen eher überraschend. Zudem wurden knapp 40% der durch Lehrvertragsauflösungen frei gewordenen Stellen bis zum Zeitpunkt der Befragung nicht wieder besetzt. Angesichts der ohnehin eher niedrigen Ausbildungsquote in der Schweiz ist das aus berufsbildungspolitischer Sicht ein durchaus "bedenklicher" Befund. Darüber hinaus berichtet ca. ein Drittel der Berufsbildner/-innen nach einer Lehrvertragsauflösung über eine geringere Ausbildungsbereitschaft. Weitere Reaktionen auf Lehrvertragsauflösungen im Lehrbetrieb beschränkten sich primär auf eine Verschärfung der Selektion bei der Besetzung von Lehrstellen, während kaum andere innerbetriebliche Massnahmen ins Auge gefasst wurden, um zukünftige Lehrvertragsauflösungen zu verhindern.

Mit Blick auf die Faktoren im Lehrbetrieb zeigt sich, dass die betriebliche Ausbildungsqualität und das Organisationsklima in vielen Unternehmen von den drei befragten Gruppen (Berufsbildner/-innen, Betriebsverantwortliche, Lernende) als gut bis sehr gut eingeschätzt werden. Dabei lässt sich beobachten, dass die Lernenden die Qualität und das Klima insgesamt kritischer als die Berufsbildner/-innen und Betriebsverantwortlichen beurteilen. Eine vorgenommene Clusterung verweist auf eine Gruppe von rund 35% der Lehrbetriebe, die sich durch eine sehr hohe Ausbildungsqualität und niedrige bis gar keine Lehrvertragsauflösungen auszeichnet. Dass diese Gruppe durchaus als Best-Practice-Gruppe bezeichnet werden kann, lässt sich dadurch begründen, dass sie auch in einer Reihe weiterer Merkmale die höchsten Werte aufweist (z.B. Ausbildungsmotivation, Weiterbildungsbereitschaft, Orientierung am Bildungsplan). Die Befunde können in der Gesamtschau als Hinweis darauf interpretiert werden, dass eine gelebte "Ausbildungskultur" häufig ein wirksamer Schutz gegen Lehrvertragsauflösungen ist.

24.03.2015

Projekt auf der Website der Universität Freiburg (französisch)

Weiterführende Informationen

Dokumentation

Valorisierungsbericht (PDF, 1 MB, 11.06.2015)Stephan Schumann, Jean-Luc Gurtner, Lara Forsblom & Lucio Negrini

https://www.sbfi.admin.ch/content/sbfi/de/home/bildung/bwb/bb-steuerung/bb-forschung/einzelprojekte/themenbereich-nahtstellen-i-und-ii/stabile-lehrvertraege--die-rolle-des-ausbildungsbetriebs--stabil.html